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Vorwort

1. Für unsere Freiheit und eure

Wir in Polen kennen den Begriff des Friedens um jeden Preis nicht. Es gibt im Leben der Menschen, der Nationen und der Staaten nur eine Sache, die von unschätzbarem Wert ist. Diese Sache heißt Ehre. Dies waren die letzten Worte einer Rede, die der polnische Außenminister Józef Beck am 5. Mai 1939 hielt, und sie galten als endgültige Antwort auf Hitlers Forderungen*.
    Damit war Polen das erste Land, das Nein zu Hitler sagte, und es bezahlte dafür einen sehr hohen Preis: Es wurde ohne Kriegserklärung am 1. September 1939 von Deutschland überfallen und dann, nachdem sich am 17. September auch die Sowjetunion an dem Überfall beteiligt hatte, gemäß den geheimen Vereinbarungen des Hitler-Stalin-Pakts aufgeteilt. Schon zuvor, am 12. September, hatten die Alliierten Polens - Großbritannien und Frankreich - entschieden, die Vorkriegsabmachung, Polen zwei Wochen nach Kriegsanfang effektive Hilfe im Kampf gegen Deutschland zu erteilen, nicht zu erfüllen. Für Polen folgten die Jahre des nationalsozialistischen und sowjetischen Terrors; jeder sechste Staatsbürger kam in dieser Zeit ums Leben. Der polnische Staat kapitulierte jedoch nie und hörte auch für keinen Augenblick auf zu existieren: In Paris entstand die Exilregierung, die nach Frankreichs Niederlage nach England ging und ihre Vertretung auch in den besetzten polnischen Gebieten hatte. Der Polnische Untergrundstaat (Polskie Panstwo Podziemne) funktionierte: mit Verwaltungsapparat, Militärwesen, Militärspionage, Vertretungen aller politischen Parteien, Militär- und Ziviljustiz sowie einem Schulwesen mit Gymnasien und Universitäten.
    Polen beteiligte sich weiter am Kampf der Alliierten gegen den gemeinsamen Feind - und zwar bis zum endgültigen Sieg im Mai 1945. Bereits am 27. September 1939 wurden im sich noch verteidigenden Warschau die Grundlagen für die größte militärische im besetzten Europa agierende Untergrundorganisation geschaffen: für die Heimatarmee (Armia Krajowa). Sie zählte später über 300.000 Angehörige und unterstand der polnischen Exilregierung in London. Zudem gab es weitere militärische Untergrundorganisationen.
    Nach dem sowjetischen Überfall waren zahlreiche polnische Soldaten hauptsächlich über Rumänien und über Ungarn nach Frankreich geflüchtet, wo sie sich an der Verteidigung des Landes beteiligten. Nach der Niederlage Frankreichs schafften es viele weiter nach Großbritannien. Zuvor hatten die polnischen Einheiten in Norwegen gekämpft (Narvik). In jenem Jahr 1940 waren auch im französischen Syrien polnische Streitkräfte aufgestellt worden, die dann 1941 in Libyen operierten (Tobruk).
    1941 entstand in der Sowjetunion eine Armee, die sich aus polnischen, in die Sowjetunion verschleppten Bürgern rekrutierte; es fehlten jedoch die Offiziere, die schon 1940 von den Sowjets unter anderem in Katyn ermordet worden waren. Diese Armee unterstand der polnischen Exilregierung in London und wurde 1942 in den Nahen Osten evakuiert; dabei wurden auch zehntausende von Zivilisten, darunter Kinder, vor dem Hungertod gerettet, da sie mit dem Militär auswandern konnten. Diese Armee schützte Ölfelder und kämpfte dann 1944 und 1945 in Italien (u. a. zur Öffnung des Weges nach Rom durch die Eroberung von Monte Cassino).
    1943 bis 1944 wurden weitere polnische Streitkräfte in der Sowjetunion und später - nachdem die Front sich gen Westen verschoben hatte - auch in den polnischen Gebieten aufgestellt. Sie unterstanden den Kommunisten und kämpften sich an der Seite der Roten Armee bis nach Deutschland durch. Am 2. Mai 1945 wehte neben der sowjetischen eine polnische Fahne an der Siegessäule in Berlin.
    Auch vom Westen her kämpften sich die in Großbritannien stationierten polnischen Streitkräfte voran: über die Normandie, Belgien und Holland bis nach Norddeutschland, wo sie die Kapitulation von Wilhelmshaven entgegennahmen und dann bis zum 1. Mai 1947 eine polnische Zone in Nordwestdeutschland verwalteten (damalige Landkreise Aschendorf, Cloppenburg, Meppen, Bersenbrück, Lingen, Grafschaft Bentheim und zum Teil Landkreis Leer).
    Nicht vergessen darf man außerdem die polnische Marine und die polnischen Luftstreitkräfte. Die Polen stellten während der Luftschlacht um England mit über 140 gut ausgebildeten und kampferprobten Jagdfliegern, die zuvor über Polen und Frankreich im Einsatz waren, die zahlenmäßig stärkste Gruppe ausländischer Piloten; zum größten Ruhm unter ihnen kamen die Jagdflieger der Staffel 303 Kosciuszko, die in den Kampf während der kritischen Septemberphase geschickt wurde, als die R.A.F. am Ende ihrer Kräfte war. Diese Jagdstaffel war in Northolt stationiert und verteidigte London gegen die Luftwaffe. Sie blieb mit den meisten Abschüssen (126) und wenigen Verlusten (sieben im Kampf gefallene Polen und ein verunglückter Tscheche) die erfolgreichste Jagdeinheit im Verlauf der ganzen Luftschlacht um England, die den Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges darstellt.
    Polen war nach China, der Sowjetunion, Großbritannien und den USA die fünftstärkste Kraft unter den Alliierten (bekannt gegeben im April 1942), bis diese Position später von Frankreich eingenommen wurde. An der Seite der westlichen Verbündeten brachten die Polen den Italienern, den Franzosen, den Belgiern, den Niederländern die Freiheit und den Deutschen im Westen des Landes noch die Demokratie dazu. Sie selbst verloren ihre Heimat, da die von den Sowjets eingesetzte und dann von den anderen Alliierten anerkannte kommunistische Regierung in Warschau sie als Verräter bezeichnete und behandelte (Schikanen, Gefängnisstrafen, Deportationen nach Sibirien, Todesurteile, Entzug der polnischen Staatsangehörigkeit). Daher wagten die meisten nicht, nach Polen zurückzukehren; diejenigen, die aus den von der Sowjetunion annektierten Gebieten stammten, hatten ohnehin keine Heimat mehr. Erst nach der Abschaffung des Kommunismus durch Solidarnosc kamen die Insignien der rechtmäßigen polnischen Exilregierung aus London nach Polen zurück, und erst dann wurde den vergessenen Helden des Krieges gegen Nazideutschland ein würdiger Platz in der Geschichte ihres eigenen Landes auch zu Hause offiziell zuerkannt.
    Die letzten Ruhestätten der polnischen Soldaten des zweiten Weltkrieges sind in 43 Ländern vorzufinden.


2. Über das Buch

Arkady Fiedler (1894-1985), der Autor von Staffel 303, war 1940 in Schottland als Infanterieleutnant bei den polnischen Streitkräften stationiert. Er wurde von August bis Anfang Oktober beurlaubt und konnte den polnischen Jagdfliegern der Staffel 303 Kosciuszko während ihrer Kämpfe beiwohnen. Er freundete sich mit ihnen an und begann schon während der Luftschlacht um England, an dem Text zu schreiben. So entstand eine Reportage und gleichzeitig eine Hymne an die polnischen Flieger, die sich bis heute als lebendiges Zeitdokument liest: Der Text vermittelt auf eine höchst emotionale Weise die damalige Stimmung - die Ängste und die Hoffnungen - so greifbar, weil er vor dem Pathos der damaligen Zeit und vor einer beinah barocken Ausdrucksweise nicht zurückschreckt. Auch wenn aus fachmännischer Sicht nicht alles einwandfrei geschildert ist und der Autor sich manchmal viel Freiheit bei der Wiedergabe des Geschehens nimmt (er war auf dem Gebiet der Fliegerei ein Laie), versteht man sofort, dass es während dieser verhängnisvollen Tage des Jahres 1940 wirklich um alles ging, und man stellt sich die Frage, wie der Krieg verlaufen wäre, hätten die Deutschen auch Großbritannien bezwingen können.
    Staffel 303 wurde zuerst auf Polnisch im Jahre 1942 in London verlegt. Dort folgten im selben Jahr zwei englischsprachige Ausgaben. 1943 wurde das Buch viermal von Untergrundverlagen im von den Deutschen besetzten und terrorisierten Warschau herausgebracht, und dann noch einmal 1944 in Kielce; 1945 gab es die siebte polnische Ausgabe in Montreal. Auf Englisch erschien der Titel noch viermal: zweimal 1943 in New York, und dann wieder 1944 und 1945 in London. Es gab auch eine brasilianische Auflage (Rio de Janeiro, 1943), zwei kanadische (Montreal, 1944), eine niederländische (1945) - und erst jetzt, siebzig Jahre nach der Schlacht, auch die erste deutsche. Dieses Buch halten Sie in der Hand.
    Nach dem Krieg erschien Staffel 303 in Polen 1946 und 1947, jedoch ohne das letzte Kapitel - wohl wegen der ursprünglichen Passagen, in denen die Sowjetunion und Deutschland gleichgestellt und die Vertreter der rechtmäßigen polnischen Exilregierung in London sowie die von den Sowjets annektierten polnischen Gebiete erwähnt wurden; es wurde dort auch die unerwünschte Frage der Unabhängigkeit Polens angedeutet. In jenen Ausgaben traten jedoch die Helden des Buches zum ersten Mal unter ihren wahren Namen auf; während des Krieges hatte der Autor die Familien der Flieger nicht den deutschen Besatzern ausliefern wollen. Später, nachdem die Kommunisten 1948 die Macht in Polen ganz an sich gerissen hatten, konnte Staffel 303 überhaupt nicht mehr publiziert werden. Erst seit 1956 - dem Jahr des Tauwetters nach Stalins Tod - erscheint es wieder regelmäßig und beinhaltet auch das letzte, jedoch um die schon erwähnten Passagen beraubte Kapitel, was auch nach dem Abschütteln der Abhängigkeit von der Sowjetunion durch Polen im Jahre 1989 nicht mehr geändert werden konnte, da der Autor längst verstorben war (diese Passagen sind gesondert im Anhang nachzulesen). Zu seinen Lebzeiten hat Arkady Fiedler auch freiwillig viele Veränderungen am Text vorgenommen, um ihn den neuesten geschichtlichen Erkenntnissen anzupassen.
    So mancher Leser von heute mag dieses Buch als Verherrlichung des Krieges empfinden. Man sollte es jedoch aus dem Blickwinkel der damaligen Zeit lesen, und so schrieb der Autor 1964 in seinem Vorwort: Wer heute Staffel 303 aufschlägt [...], der soll nicht vergessen, dass das Buch nur die Rolle eines der polnischen Soldaten des Zweiten Weltkriegs erfüllte, dass es nichts anderes als ein lebendiger, [...] von einem Menschen heißen Herzens verfasster Bericht vom Schlachtfeld sein sollte. Gerade als ein dokumentarischer Bericht und nicht als literarisches Werk konnte das Buch die vom Autor bestimmte Aufgabe erfüllen. Die einfältigen Kritiker wurden oft dadurch irritiert, dass in dem Buch zu viele Luftschlachten, zu viele [...] von den Polen abgeschossene Heinkels, Dorniers, Messerschmitts wären - dass dies [...] das reine, traditionelle Gebilde eines literarischen Werkes sprenge. Ganz recht, ganz recht! Was soll man tun, so waren die Zeiten, und genau danach verlangten sie. Damals bekam doch der Anblick eines getroffenen feindlichen Flugzeugs ein besonderes Gewicht; die Aufzählung der vernichteten hitlerschen Maschinen erfolgte bewusst und war psychologisch extrem aussagekräftig, was zum damaligen Zeitpunkt absolut notwendig war.

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* Hitler verlangte u. a., dass Polen dem Anschluss Danzigs an das Dritte Reich zustimmt und den Deutschen erlaubt, eine exterritoriale Autobahn und eine Bahnlinie durch polnisches Gebiet nach Ostpreußen zu ziehen.